Gedanken, Kommentare, Meinungen zu Aktuellem & Vergangenem oder einfach nur etwas, was wert sein könnte von aller Welt gelesen werden zu können.

Samstag, 26. Oktober 2013

Fragment

Irgendwie muss doch dieser innere Schweinehund zu überwinden sein, der mich äußerst erfolgreich vom Schreiben für meinen Blog abhält. Vor zwei Wochen hatte ich einen Text über den Besuch zweier Berliner Festivals begonnen, ihn aber aus irgendwelchen Gründen abgebrochen. Ihn weiterzuschreiben wäre nun zuviel des Guten – man muss sich Niederlagen auch manchmal einfach eingestehen und offensiv mit ihnen umgehen.
Daher veröffentliche ich nach langer Zeit das folgende Textfragment, das ich nur noch um meine favorisierte Band ergänzen will, die durch den Umstand, dass sie die zuletzt gesehene/gehörte Band dieser beiden Festivals war, es nicht in diesen Fragment geschafft hat. Dafür aber bei mir sehr weit nach oben auf der Favoritenliste dieses Jahres: Motorama




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Mit Festivals ist das bei mir so eine Sache. Auf die großen kann ich mittlerweile ganz gerne verzichten, nachdem ich in den Nullerjahren dreimal eines besucht hatte. Auch alle Versuche, mich für das Melt oder die Fusion zu überzeugen, waren bisher vergebens. Selbst mit dem kleinen, aber an sich sehr feinen „PopNotPop-Festival“ hier im schönen Stuttgart, konnte man mich bisher nicht wirklich überzeugen.
Deshalb ist es für mich schon ein wenig erstaunlich, dass es mich innerhalb eines Monats zu zwei kleinen Mehr-Club-Festivals zog – vielleicht liegt es einfach an Berlin, da machen ja angeblich viele Leute, was sie sonst nie machen würden. Nun muss man aber auch fairerweise sagen, dass die beiden Festivals mit einer Reihe interessanter für mich neuer und etablierter Bands aufwarten konnten.
Zum Einen das zweitägige, der „Berlin Music Week“ vorgeschaltete „First We Take Berlin“. Hier bedeutete es schon einen zeitlichen Aufwand, sich durch die Videos der vielen Bands zu hören und einen halbwegs passablen persönlichen Zeitplan aufzustellen. Die Bands überschnitten sich teilweise nicht nur zeitlich, sondern waren auf teils etwas ungünstig liegende Locations verteilt, was auch der von einem charmanten (ernst gemeint!) Fahrer Shuttlebus nicht wettmachen konnte (vor allem nicht, wenn er aus lauter Eifer eine Extrarunde dreht!).
Zwei wirklich tolle Bands waren die am ersten Tag gesehenen „Jagwar Ma“ und „Balthazar“.

Donnerstag, 4. Juli 2013

Abi-Feier, die zweite

Der Beat war immer der gleiche. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem das egal war und ich einfach nur diesen Abend genoss. Ein Abend mit vielen lieben Menschen, von denen ich die, wegen denen ich da war, teilweise fast zwei Jahre nicht gesehen hatte.
Es war eine fröhlich, ausgelassene Stimmung auf der Tanzfläche, auf der die Zeit bis 3 Uhr wie im Flug verging.
Dass es ein so schöner Abend werden würde, hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Ich hatte mich sehr darauf gefreut, die Schülerinnen und Schüler meiner ersten beiden Klassen, die ich in der 10. ein ganzes Jahr unterrichtete, auf ihrem Abi-Ball wieder zu sehen, das auf jeden Fall. Das Ambiente hätte mit dem Musiksaal am Ludwigsburger Bahnhof schicker kaum sein können, ebenso wenig wie die Abendgarderobe der Abiturientinnen und Abiturienten.
Was diesen Abend besonders machte, waren wieder einmal die wunderbaren, manchmal kürzeren, manchmal längeren Begegnungen und Gespräche. Mal mitten auf der Tanzfläche, mal an der Bar, dann wieder im Saal. Viele unterschiedliche Pläne und Ziele waren da im Laufe des Abends zu hören, auch hier wieder, wie einen Tag zuvor, voller Freude, Zuversicht und etwas Ungewissheit. Das Leben nimmt nun richtig Fahrt auf!

Dienstag, 2. Juli 2013

Abi-Feier, die erste

Da saßen sie vergangenen Freitag in der Kantine der Grafenbergschule und kamen alle einzeln nach vorne – schick, strahlend und wahrscheinlich innerlich mit einem Gefühlsmix aus Freude, Erleichterung, Stolz und der Ein oder Andere vielleicht auch mit einer Spur von Ungewissheit.
Es war ein entspannter Abend, die Zeugnisübergabe und das anschließende Essen. Ein Schuljahr mit Agnes, Liebeslyrik, drei Klausuren, Themenwiederholung, Kaffee, interessanten und weniger interessanten Doppelstunden liegt hinter dem Kurs in Raum 256. Zu Beginn war es für beide Seiten ein Sprung – nicht unbedingt in's kalte, aber zumindest in's lauwarme Wasser. Und nicht nur die Schüler hatten im September den Eindruck, dass der April und das schriftliche Abitur noch sehr weit entfernt sind. Und nicht nur die Schüler erkannten recht schnell, dass die Zeit zwischen September und April nicht unendlich ist.
Über den Abend hinweg konnte man viel freudige und erleichterte Aussagen hören, aber eben doch auch immer wieder etwas Wehmut bei dem ein oder anderen Fazit der drei TG-Jahre. Ich jedenfalls bin sehr gespannt, was ich mitbekommen werde – wohin die Wege führen werden und denke, dass jeder Einzelne seinen eigenen Weg machen wird.

Dienstag, 25. Juni 2013

Sommergewitter

Irgendwo auf der Strecke von der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar zur Burg Lohra im Landkreis Nordhausen in Thüringen. Ich sitze am Steuer eines 9er-Busses, mit mir fünf Schüler der Berufsschulklasse für Straßenbau B2SB6, die, nach drei Tagen voller Arbeit in der Juni-Hitze und den Eindrücken der Fachhochschule Erfurt und des Besuchs der Gedenkstätte, der Schlaf übermannt.
Einzig die unermüdliche Lüftung und das Geräusch der Straße sind noch zu hören. Der stürmischen Regen und das Gewitter liegen hinter uns und plötzlich tut sich vor mir ein fast schon erhabener Ausblick auf: Der Himmel geteilt in dunkle Wolken und von der Sonne erhellte Flecken, die Luft sichtlich gereinigt vom sommerlichen Regen, die sanften Hügel im satten Grün. Alle Gedanken, die mir in den ganzen Tagen durch den Kopf gehen, all die interessanten Gespräche und wunderbaren Erfahrungen, sind für wenige Augenblicke verdrängt von diesem Anblick.

Freitag, 31. Mai 2013

Finale Gedanken

Es ist Sonntag und ich schalte irgendwann am Nachmittag die Nachrichten ein. Erste Meldung: Der VfB Stuttgart ist neuer DFB-Pokalsieger durch ein 1-0 gegen Bayern München. Schock. Fassungslosigkeit. Dann die langsame Gewissheit – ich habe das Finale verpasst. Ich bin einfach nicht hingefahren und bei diesem fußballerischen Wunder nicht dabei. Ich renne herum, telefoniere, bin verzweifelt – wie konnte mir das passieren?
Dann kommt langsam diese schleichende Erkenntnis mit der immer mehr zum Fenster hereinscheinenden Sonne – ein Traum! Besser gesagt, ein Albtraum!

Das war vor ca. drei Wochen.

1997 habe ich mein erstes DFB-Pokalfinale erlebt. Nach einer furiosen und traumhaften Saison, in der das Magische Dreieck und weitere Charakterköpfe wie Wohlfahrt, Verlaat, Berthold und Legat in schöner Regelmäßigkeit mit Kantersiegen und rauschhaftem Fußball verwöhnten, gab es zum Abschluss dieses Finale im noch nicht umgebauten Berliner Olympiastadion. Ich war 15 und ging durch alle emotionalen Wechselbäder, welche dieses Alter im Rückblick nicht zu meiner Lieblingsphase machen. Ich fuhr mit meinem Vater zu diesem Finale und ich hatte Schiss. Ich hatte riesig Schiss, dass diese tolle Mannschaft es gegen den Noch-Regionalligisten Energie Cottbus vergeigen würde. Eigentlich gab es keinen großen Grund zur Sorge, außer dass diese Mannschaft es in den entscheidenden Spielen, in denen es darum ging, evtl. noch mehr zu erreichen als diesen eh schon sensationellen vierten Platz in der Liga, nicht fertigbrachte, ihre tollen Leistungen zu bestätigen.
So saß ich nervös auf meinem Platz im Stadion und erst das 1-0 durch Elber schaffte es, dass meine Nerven nicht mehr ganz so angespannt waren.

10 Jahre später war es mal wieder soweit: Mein Verein schüttelte aus dem Nichts eine Saison aus dem Ärmel auf den Rasen, dass man nicht genau wusste, wie einem eigentlich gerade geschieht – Meister und die Möglichkeit, das Double zu holen. Daraus wurde jedoch nichts. Ein dramatisches Finale wurde durch einen Sonntagsschuss entschieden. Kein Double, aber die Erkenntnis, dass selbst eine einige Tage zuvor errungene Meisterschaft nicht im Entferntesten die Enttäuschung eines verlorenen Finales wettmachen kann!

Nun ist es morgen also wider soweit – mein drittes Pokal-Finale. Und nie standen die Chancen im Vorfeld so schlecht. Der Gegner scheint übermächtig, euphorisch durch den Champions-League-Titel wollen sie das „Triple“ (was immer noch eher nach einer Mc Donalds-Aktion klingt...). Bei manchen Buchmachern lautet die Quote auf den VfB 1:17. Es sieht also nach einer vermeintlich klaren Angelegenheit aus, und trotzdem steigt die trotzige Hoffnung, je näher das Spiel rückt.

Hinzu kommt der Gegner. Mein Verhältnis zu Bayern München hat eine lange Geschichte: Mein Vater nahm mich mit elf Jahren zum ersten Mal mit zu einem Auswärtsspiel – nach München. Der Saison 92/93, der VfB war amtierender Meister und es spielten Helden wie Immel, Schäfer, Buchwald, Gaudino und Walter und ich war aufgeregt, diese zum ersten Mal nicht im Neckarstadion spielen zu sehen. Am Ende hieß es 2-5 aus unserer Sicht und die Tränen kullerten. Sportlich war es ein erstes Zeichen, wie es die Jahre darauf oft gegen Bayern laufen sollte – ein engagierter VfB, abgezockte Bayern, meistens eine Niederlage. An diesem Tag wurde der Grundstein für eine grundlegende Antipathie gegen diesen Verein und noch mehr gegen spezielle Anhänger dessen gelegt. Ein Aspekt war der Ärger meines Vaters nach wenigen Minuten auf der A8. Der Ärger galt Autos mit hiesigen Kennzeichen, in denen sichtbar für alle anderen ein Bayern-Schal prangte. Mein Vater machte sich hörbar diesem Ärger Luft und die anschließenden Stadionbesuche in den nächsten Jahren in München verstärkten diesen Ärger. Da wurde über die Arroganz der Münchner Anhänger, den immer parteiischen Schiri und die meist folgende Niederlage geschimpft, ohne Rücksicht auf Verluste. Und es waren Tage des Hochgenusses, sollte es doch im zugigen Olympiastadion einen Auswärtssieg geben, so wie bei -15 Grad im Januar 1994 oder im Oktober 1999.
Diese Antipathie wurde in den letzten 20 Jahren weiter gefüttert, meist durch Leute, auf die nicht einmal die weiteste Auslegung des Wortes „Fan“ zutrifft und die auf meine Standartfrage, wie oft sie denn schon in München bei einem Spiel gewesen seien, antworten: einmal, aber schon zweimal in Stuttgart! Und dann müssen die zwei vorherigen Generationen herhalten, die ja auch schon immer Bayern-Fans gewesen seien.

Mit dieser Konstellation geht es in einer Stunde in Richtung Berlin. Und ich weiß schon, wie nervös ich morgen sein werde, je näher Stadion und Anpfiff rücken. Die Chancen sind schlecht, das ist klar. Aber das waren sie die letzten 20 Jahre immer und es hat mich bis heute nicht abgehalten immer wieder zu diesem Auswärtsspiel nach München zu fahren. Ich will nichts weiter als eine Mannschaft in weißen Trikots mit dem roten Brustring, die ihre Stutzen runterziehen, ihre Schienbeinschoner den Bayern-Spieler im Tunnel vor die Füße werfen und den Rasen des Olympiastadions einmal von vorne nach hinten umpflügen. Ich will, dass 20.000 Stuttgarter die gegenüberliegende Kurve mit stolzen Gesängen zeigen, was es heißt, ein Fan zu sein.


Ich bin etwas spät dran und ich komme, weil sich mein Bus verfahren hatte, etwas zu spät zur letzten Taktikbesprechung. Während Bruno Labbadia die letzten Instruktionen erteilt, lege ich meine Schienbeinschoner an und habe etwas Probleme mit den Stutzen. Es herrscht eine angespannte Ruhe. Als ich meine Schuhe anhabe, erfahre ich, dass ich spiele. Rechter Verteidiger, gegen Ribéry. Beim Hinauslaufen ist es laut, die Gesänge dringen von Ferne an mich heran und irgendwann fällt das 1-0. Dabei bleibt es, und innerhalb von einer Woche gewinnt Stuttgart zum zweiten Mal mit dem gleichen Ergebnis gegen die Bayern den Pokal. Als ich aufwachte, dachte ich, dass das doch gar nicht sein kann, bin aber froh, dass das Verpassen durch das Mitspielen dieses Mal ausgeglichen wurde. Und ich hatte Ribéry wirklich im Griff!


Alle guten Dinge sind drei – und falls dies so kommen sollte, würde ich sicher durch Berlins Kneipen ziehen und darauf warten, dass ich aufwache.

Donnerstag, 30. Mai 2013

Tour

Andy Frasco, ein US-Musiker, mit dem wir vor einigen Wochen im Goldmark's spielten, ist seit einigen Jahren beständig auf Tour. In dieser Hinsicht reicht er natürlich nicht an Bob Dylan heran, der sich seit Jahrzehnten auf einer einzigen Welttournee befindet.
Wir waren mit Hawelka letzte Woche fünf Tage auf Tour.

Pilsen – Wien – Linz – München

In dem kleinen Renault Clio fanden Platz:

- zwei Synthies+Ständer
- eine Gitarre+Ständer
- ein Mini-Verstärker
- eine Cajon, eine Beckentasche
- eine Sticks-Tasche
- ein Koffer mit Gitarrenpedal und Kabel
- ein Koffer mit CDs
- eine Jutetasche mit Kabel und Zubehör
- eine Filztasche mit Unterlagen und Kamera
- zwei kleine Reisetaschen und ein Rucksack
- drei Musiker


Aber schon die fünf Tage vermittelten einen ersten Eindruck, was es heißt, auf Tour zu sein:

Fahren, am Spielort ankommen, Location finden, Verantwortliche(n) finden, Unterkunft finden, Zeit am Spielort verbringen, ausladen, aufbauen, warten, spielen, abbauen, einladen, zur Unterkunft fahren, feiern, wenig schlafen, frühstücken, fahren, …

Das klingt nun doch etwas zu nüchtern - es waren tolle fünf Tage, in denen wir wirklich wunderbare Menschen getroffen haben und Auftritte gespielt haben, die richtig viel Spaß gemacht haben. Dazu schöne Städte und immer wieder interessante Gespräche, von denen sicherlich ein Highlight das „Philosophische Trio“ war, natürlich standesgemäß in einem Wiener Café.

Jedenfalls an dieser Stelle nochmals ein großes Dankeschön an Petr und Jan Georg!

Donnerstag, 16. Mai 2013

Mai, des macht nix

Der Frühling ist wohl bald wieder vorbei, bevor er richtig angefangen hat, was irgendwie auch etwas auf die Bundesliga-Saison 12/13 zutrifft. Ich laufe mit Pullover und Regenjacke durch die Stadt, an meisterlich blühenden Kastanienbäumen vorbei, die ,zusammen mit dem Regen, einem doch schon etwas höhnisch eine kleine Ahnung des kommenden Herbstes zu vermitteln scheinen. In zwei Tagen geht nebenbei auch die Saison zu Ende, was auch niemanden mehr so richtig interessiert. Naja, außer den wohl eintreffenden Abstieg von einem Provinzclub aus der „Metropolregion Rhein-Neckar“, den die gesamte Liga (ausschließlich Leverkusen und Wolfsburg) mit einem seligen Lächeln goutieren wird!
Dann endlich, dann geht es in die heiße Phase – nein, nicht des Mais, sondern des Champions-League-Finales. Das hat schon beinahe was von WM-Stimmung: Jeder, der weiß, dass ein Ball rund ist und beim Fußball vornehmlich nicht mit der Hand gespielt wird, überlegt fieberhaft und öffentlichkeitswirksam, wo er dieses verkappte Bundesligaspiel denn anschauen könnte. Ich werde mir vorsorglich mal zwei oder drei Kinofilme vormerken, die man sich an dem Tag evtl. anschauen könnte. Auch im Theater war ich schon viel zu lange nicht mehr.
Jedenfalls richtet sich meine volle Aufmerksamkeit auf das Spiel, das eine Woche danach stattfinden wird...

Sonntag, 27. Januar 2013

Schal

Einerseits hat das Jahr schon auf vielfältige Weise grandios und wunderbar
begonnen. Andererseits beginnt es für mich in einer bestimmten Sache erst heute,
genauer gesagt in ca. zwei Stunden.

Die ersten dreieinhalb Wochen waren gespickt mit tollen Konzerten (The Gecko,
I Got You On Tape), lustigen Partys (Berlin, Berlin), interessanten Theaterstücken
(Asylmonologe, Dantons Tod) und einem wunderbaren Hawelka-Auftritt in Tübingen (Café Haag). Jedes Ereignis für sich wäre es wert, einen eigenen Text zu erhalten!

Nun beginnt für mich persönlich nachher die Rückrunde der Bundesliga. Und irgendwie ist meine Stimmung dazu reichlich schal. Das hat mehrere Gründe. Zunächst habe ich keine Lust mehr auf die Skandalisierung jeglichen Fan-Verhaltens, das nicht in die Eventplanung der Bundesliga-Macher passt. Da wird Borussia-Dortmund unter anderem dafür bestraft, dass zwei Minuten das Spielfeld von Papier-Schlangen befreit werden muss. Da dürfen in Hannover keine Spruchbänder gegen die sonderbare Ticket-Verkaufs-Plattform "Viagogo" gezeigt werden (einen Versuch von Hannover-Fans, bei dem es zu einer kleinen Rangelei um ein solches Spruchband ging, wurde dann gestern in der Sportschau als "unnötige Aktion" seitens der Fans bezeichnet).
Diese Plattform wird aller Voraussicht dafür sorgen, dass heute einige Bayern-Sympathisanten (meistens im Speckgürtel Stuttgarts wohnhaft und wenn es hochkommt mit einem Viertel an Besuchen des Heimstadions ihres Lieblings-Clubs) sich in die Cannstatter Kurve verirren werden.

Wo steuert der Fußball hin?
Eine Freundin berichtete vor ein paar Wochen, sie sei letztes Jahr zum ersten Mal im Stadion gewesen und wisse nicht, ob sie nochmals hingehen werde. Es hatte mit dem Stadion-Erlebnis, wie sie es sich vorgestellt habe, rein gar nichts zu tun. Eine event-mäßige Inszenierung, vergleichbar mit einem Musical-Besuch. Genauso hätte sie die Mehrheit der Besucher um sie herum empfunden. Ich kann ihr da nur beipflichten. Und heute werden tausende unterhaltungssuchende Event-Touristen das Stadion zum ersten Mal zur Gänze füllen. Ich habe mich gestern bei dem Gehangen ertappt, dass ich mir wegen dieser Leute ein unglaublich schlechtes Spiel wünsche (und für den Wunsch brauche ich mich realistischerweise nicht sehr bemühen)!
Ich weiß, das ist zum Teil eine sehr versnobte Einstellung. Das ist mir allerdings mittlerweile herzlich egal! Der Fußball wird nicht nur von im Promillebereich befindlichen Chaoten zerstört, die Gewalt suchen und natürlich - wie überall, wo sie diese suchen würden - auch finden! Er wird auch - und ich würde sagen zu einem erheblich größeren Teil - von einer seit zwei Jahrzehnten immer weiter fortschreitenden Kommerzialisierung ausgeschlachtet und zerstört. Natürlich gibt es noch die Momente, in denen die Emotionen einen mitreißen, in denen ein Block förmlich abhebt und man sich kaum was Besseres vorstellen kann. Aber wie lange wird das noch so sein? Ich befürchte, der Punkt an dem die Gemäßigten der aktiven Fanszenen, die mit einem bewundernswerten Einsatz für eine bunte, vielseitige, engagierte Kurve kämpfen, frustriert und desillusioniert den ganzen Krempel hinschmeißen, weil von offizieller Verbands- und Politik-Seite nicht verstanden wird (oder nicht verstanden werden will!), dass eine andauernde Pauschalisierung durch Kollektivstrafen einen Dialog auf Augenhöhe nicht zulässt!


Auch heute werde ich meinen Schal umwickeln und wie schon hunderte Male zuvor mit einer Spur Hoffnung, aber irgendwie doch ungleich pessimistischer die Stufen im Stadion hinaufsteigen, mit dem Wissen, dass ich noch nicht alleine bin!