Gedanken, Kommentare, Meinungen zu Aktuellem & Vergangenem oder einfach nur etwas, was wert sein könnte von aller Welt gelesen werden zu können.

Montag, 3. Oktober 2011

Aufgabe

Die halbe Generation vergeben, die andere verloren,
zwischen vermeintlicher Gewissheit und gewisser Beliebigkeit,
haben die Einen geschworen, suchen die Anderen die Freiheit.

Fragen, immer wieder diese Fragen -
was wird aus uns, wo sind wir, wer bist Du?

Ist unsere Generation nicht eine von Hinterbliebenen,
da anscheinend schon erwachsen und daher zu alt um zu den von jugendlichem Übermut Getriebenen zu gehören
scheinen wir allen, nur nicht uns.

Wollten nicht genau wir in diesen Tagen losziehen um
Lösungen zu finden oder wenigstens Antworten zu erraten?

Stattdessen verrenne ich mich im dritten Teil der Aufgabe,
ich schreibe alles hin -
doch es gibt keine Punkte für den falschen Weg und
was bleibt ist Angst vor der Herausgabe.

Samstag, 1. Oktober 2011

Einfach weg

Plötzlich ist da wieder diese wunderbare Melodie und ich bin weg...

...irgendwo, abwechselnd an einem weißen, langen Sandstrand, den faszienierendsten Sonnenuntergang beobachtend oder in einem Auto sitzend und irgendwohin fahrend. Vielleicht nach Süden, vielleicht nach Norden. Völlig egal wo oder wohin - in diesem Augenblick bin ich genau dort! Der Wind umweht meine nackten Füße und die Spätsommersonne, die niemals sonst im Jahr so wunderbar golden warm scheint, blendet mich durch das geöffnete Fenster und das Blau des Himmels leuchtet fröhlich. In diesem Moment ist alles weit weg: Alltag, Sorgen, Kummer, Ärger. Wenn es eine annähernde Ewigkeit gibt, dann in solchen Momenten, in denen man nicht glaubt, dass mit dem nächsten Zwinkern alles schon wieder vorbei sein kann. Doch solche Gedanken sind weit weg in dieser Sommerabendluft...

...plötzlich ist es still und ich schließe das Zimmerfenster, denn der Wind wird zu kalt an den Füßen.



Donnerstag, 22. September 2011

Mein literarischer Sommer

Eigentlich war es Zufall. Kein reiner oder purer, sondern ganz normaler (was ist eigentlich der Unterschied? Ob der Begriff "reiner" bzw. "purer" Zufall evtl. auf die angeblich unbefleckte Empfängnis zurückgeht?)!
Jedenfalls ging ich an einem heißen Sommertag mal wieder erfolgreich mit vier Büchern aus dem Oxfam-Buchladen und stellte nach ein paar Tagen begeistert fest, dass zwei davon sich im Prinzip ziemlich ähneln. Nämlich "Fleich ist nicht mein Gemüse. Eine Landjugend mit Musik" von "Heinz Strunk" und "Der BFC war schuld am Mauerbau. Ein stolzer Sohn des Proletariats erzählt" von "Andreas Gläser". Beim Kauf war mir das wirklich nicht bewusst, umso mehr die Freude einige Tage später.
Im Prinzip sind beide Bücher autobiographische Rückblicke auf die 80er- und 90er Jahre von zwei fast gleichaltrigen Autoren (Strunk geboren 1962, Gläser 1965). Das Interessante ist allerdings, dass Strunk eine westdeutsche Perspektive, Gläser dagegen eine ostdeutsche einnimmt. Zu den beiden Büchern gleich mehr.
Wenige Wochen später beim nächsten Besuch des - übrigens sehr zu empfehlenden - Buchladens sah ich zwei weitere Bücher, die thematisch durchaus zu den beiden erstgenannten zu passen schienen: "Livealbum" von "Benjamin von Stuckrad-Barre" sowie "Russendisko" von "Wjadimir Kaminer".
Damit war mein literarischer Sommer klar umrissen. Ich war sehr gespannt auf diese vier Bücher, die zum Teil die Zeit meiner eigenen Kindheit und Jugendzeit aus ihren ganz eigenen Perspektiven zum Thema hatten.

Die höchste Identifikation konnte ich gleich mit dem Buch von Heinz Strunk aufbringen, und zwar deshalb, da der Fokus seiner Erzählung - die Erlebnisse, die er als Anfang Zwanzigjähriger in einer Tanzkapelle im Hinterland von Harburg machte - mich doch teilweise an meine Erfahrungen bei Auftritten des Musikvereins auf Dorffesten erinnerten. Von außen betrachtet eine Spur lachhaft (vor allem, wenn man es so beschreibt wie Strunk), aber zum Zeitpunkt des Erlebens doch vor allem spaßig! Strunk schreibt meistens herrlich ironisch und macht dabei vor sich selbst und seiner Rolle in dieser Zeit keinen Halt. Von der Fokussierung auf die Tanzkapelle abgesehen präsentiert das Buch einen herrlichen Blick auf ein ziemlich typisches (westdeutsches) kleinstädtisches Leben in den letzten beiden Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts (oh Mann, wie klingt das nach einer Amazon-Buchbeschreibung!!).
Interessant wird dieser Blick wirklich im Vergleich mit dem Buch von Andreas Gläser, "Der BFC war schuld am Mauerbau". Hier bedarf es evtl. die ein oder andere Erklärung. Der "BFC" ist der Berliner Fußballverein "BFC Dynamo Berlin", der unter Fußballfans eigentlich nur als "Stasi- bzw. Mielke-Verein" bekannt ist, da er sehr lange von Erich Mielke, dem Leiter der Staatssicherheit so gefördert wurde, dass die Meisterschaft nur noch reine Formsache war. Der Titel, den Gläser gewählt hat, gibt allerdings schon die Richtung des Buches vor: Blanke, teilweise provozierende Ironie! Denn wie der geneigte Guido-Knopp-Fernseh-Historiker bzw. die geneigte Guido-Knopp-Fernseh-Historikerin weiß, ist die Mauer im Jahre 1961 erbaut, der BFC aber erst im Jahre 1966 gegründet worden!
So kokettiert Gläser in seinen autobiographischen Geschichten, die nicht so chronologisch zusammenhängend erzählt werden wie bei Strunk, immer wieder mit diesem Stempel, der dem Club aufgedrückt wird ebenso wie mit seiner ostdeutschen Herkunft im wiedervereinigten Berlin. Das Buch wirkt irgendwie deutlich böser und direkter -ich hatte das Gefühl, dass Gläser bewusst viele literarische Schläge in die Fresse ansetzt.

Das dritte Buch in meiner persönlichen Lesereihe war "Livealbum" von Stuckrad-Barre, von dem evtl. das Buch "Soloalbum" bekannt ist (oder zumindest die Verfilmung). Mit ihm verbinde ich die ein oder andere schemenhafte Erinnerung an Fernsehauftritte, die er um die Jahrtausendwende aufgrund seiner plötzlichen Popularität bestritt, und in denen er mir mit meiner damaligen noch vorhandenen kulturellen Leichtgläubigkeit ziemlich unsympathisch war. In "Livealbum" schreibt er von den Erlenissen auf seiner ersten Lesereise, was für mich kurz gesagt unglaublich amüsant war. Stuckrad-Barre schreibt über sich als im Showbusiness unerfahrenen aber in ihm auf jeden Fall triumphieren wollenden jungen Autor, der einerseits die Regeln einhalten, aber gleichzeitig auf sie scheißen will.

Zum Schluss "Russendisco" von Wladimir Kaminer, der hier - ebenfalls autobiographisch - änhlich wie Gläser verschiedene Episoden seines Lebens als russich-jüdischer Emigrant in Berlin von der Wendezeit bis ins neue Jahrtausend schreibt. Ich weiß nicht, ob ich dieses Buch als das schwächste der vier empfinde, weil es sprachlich ganz puristisch daherkommt, weil ich mich in dem Geschilderten am wenigsten wiederfinden kann oder weil die kurzen Erlebnisse und Anekdoten meist etwas langweilig sind.

Ich denke, dass jede(r) irgendwann einmal mehr oder weniger heftig dem gedanken nachhängt, dass man doch gern ein paar Jahre früher geboren wäre, um dieses historische Ereignis oder jene gesellschaftliche Entwicklung bewusster mitbekommen zu haben (gut, die Generation meiner Eltern definitiv nicht!). Mir geht es so mit dem Mauerfall und allen dazugehörigen Entwicklungen. Eines haben vor allem die ersten beiden Bücher bewirkt: Die Gewissheit, dass damals nicht alle Deutschen in der Nacht vom 9. November 1989 auf der mauer tanzten und dass die Empfindungen der Kindheit und der Jugendzeit im Prinzip doch immer relativ gleich sind - egal in welchem Jahrzehnt.

Mittwoch, 17. August 2011

Böses, böses Mädchen

Es ist schon ein wenig seltsam: Da studiert man sechs volle Jahre Germanistik (und jetzt bitte keine Spitzfindigkeiten - ja, die ganze Zeit wurde natürlich nur studiert!).
Und trotzdem war die Vergabe des Literaturnobelpreises die letzten Jahre immer ein wenig deprimierend, nach dem Motto: Wen kenne ich denn dieses Jahr schon wieder nicht?

Ich gebe es freimütig zu, so erging es mir auch wieder mit dem letztjährigen Preisträger, Mario Vargas Llosa (es sollte noch erwähnt werden, dass mir der Name Günter Grass durchaus geläufig ist)! Was macht der interessierte "Literaturwissenschaftler" sogleich? Genau, flugs bei Amazon eines seiner bekanntesten Bücher bestellt, welches da heißt "Das böse Mädchen".

Heute habe ich die letzten 40 Seiten gelesen und war doch ziemlich erleichtert! Erleichtert darüber, dass ich es geschafft habe. Eine gefühlte Ewigkeit trug ich dieses Buch mit mir herum, um jede Gelegenheit zu nutzen, ein paar Seiten weiterzukommen. Bitte nicht falsch verstehen, das Buch ist nicht schlecht! Das Ende war sogar ziemlich gut! Aber insgesamt war es eben auch nicht wirklich gut. Und das ist wohl das Schlimmste, was einem als Leser widerfahren kann: Ein Buch, das zum Weglegen nach den ersten 50 seiten zu gut, aber zum zügig und begierig weiterlesen zu schlecht ist. Oder vielleicht besser gesagt, das man für zu gut bzw. zu schlecht erachtet! Das Buch ist an sich schon gut - die Sprache ist durchaus virtuos, die Geschichte im Kern interessant:
Eine Liebesgeschichte, erzählt in einer Art Autobiographie des Ich-Erzählers. Dieser ist Peruaner und verliebt sich als Junge in eine Chilenin. In eine vermeintliche Chilenin. Denn nach einiger Zeit kommt der Junge hinter ein Geheimnis des Mädchens, das fortan nur noch "das böse Mädchen ist" und dieses verschwindet plötzlich aus seinem Leben. Naja, und nach diesem Muster setzt sich die Geschichte fort. Der Erzähler, der Dolmetscher wird, erzählt von einer Lebensstation nach der anderen (Paris, London, Paris, Madrid) und bei jeder dieser Stationen trifft er erneut auf das "böse Mädchen", ist weiter unsterblich in sie verliebt - es knistert mal relativ, mal ziemlich erotisch - und wird von ihr für einen reichen Mann verlassen, worauf sich der Erzähler schwört, das ach so "böse Mädchen" nun aber endgültig zu vergessen, bis sie sich erneut treffen und es wieder ziemlich knistert, allerding nur, bis sie wieder...böses, böses Mädchen!

Mein Probleme mit dem Buch waren zum Einen, dass man das Prinzip recht schnell verstanden hat. Klar war ich von den Einzelheiten sehr überrascht, aber ich ahnte doch, wie es im Prinzip weitergehen würde. Zum Anderen muss ich sagen, dass mich der Erzähler in seiner zum Teil (!!) an den Tag gelegten Naivität doch ziemlich genervt hat. Die Darstellung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der über die Jahrzehnte erzählten Geschichte konnten irgendwie auch nicht wirklich überzeugen. Trotzdem wollte ich wissen, wie es ausgeht - von daher war es nun doch nicht so schlecht.

Ich könnte ja nun die noch relativ jungfräulich im Bücherregal stehende "Blechtrommel" entstauben und beginnen zu lesen. Aber irgendwie muss das nächste Buch eines Literaturnobelpreisträgers (oder -trägerin) doch noch etwas warten!

Dienstag, 9. August 2011

Sommersound 2011

Ich habe ehrlich gesagt nicht mehr viel darauf gegeben, ihn zu finden. Mal im Ernst, bei den äußeren Gegebenheiten einen Sommersound für 2011 zu finden, ist nun auch wahrlich nicht die einfachste Aufgabe. Doch allen windigen, wolkenverhangenen und regnerischen Widrigkeiten zum Trotz, kann ich ihn seit gestern mein Eigen nennen.
Verantwortlich zeichnen sich sechs Norweger, die ihrer Band den Namen "Casiokids" gaben, in Anlehnung an die trashigen kleinen E-Pianos ihrer Kinder- und Jugendzeit der gleichnamigen Alleskönner-Firma.
Sie spielten im Schocken auf, was nach meiner Erfahrung eigentlich bisher immer tolle Konzerte garantierte. Auch wenn dieser Club definitiv nicht optimal für den Clubbetrieb ist (wer kennt sie nicht, die heillos überfüllte Tanzfläche im Erdgeschoss, die zur Hälfte als Durchgangsfläche wahlweise zur Bar, zur Toilette, zum unteren Floor oder zum obigen Sofa-Areal dient), so ist er es meiner Meinung nach definitiv für Konzerte! Kein Club bietet eine so konzentrierte Atmosphäre und lässt den Großteil des Publikums so nahe den Musikern kommen.

Was machte dieses Konzert zu einem guten Konzert?

1. Die Musik traf meinen derzeitigen Geschmack - vor allem was Livemusik angeht - ziemlich exakt. Wunderbare Popmelodien mit elektronischen Soundexperimenten plus konventionellen Instrumenten wie E-Bass plus E-Gitarre & Schlagzeug.

2. Da auf dieser Schiene gerade einige Bands unterwegs sind - eine eigene Note. Im Falle der "Casiokids" war das einmal ein Percussionist (sehr geil der Congasound, von dem ich anfangs vermutete, es wäre ein Synthie-Sample).

3. Die Spielfreude! Es gibt nichts Schlimmeres, als einer Band zuzusehen und zuzuhören, denen man die nicht vorhandene Spielfreude anmerkt! In diesem Fall war ich anfangs noch skeptich, da die Jungs etwas enttäuscht schienen, dass der Club nur ca. zur Hälfte gefüllt war. Doch nach wenigen Songs änderte sich dieser Eindruck und es machte einfach Spaß der band zuzusehen.

4. Sympathie! Manche Bands scheinen das Wort "Indie" gleichbedeutend mit "Arroganz" oder "Unnahbarkeit" zu verstehen. Prominente Beispiele wären "Mando Diao", "The Hives" oder "Hard-Fi". Das kann manchmal schon passen, aber ich kann nicht leugnen, dass eine gewisse Sympathie, die von der Bühne strahlt, bei mir persönlich doch besser ankommt.
Dieser Punkt geht einher mit dem dritten. Spätestens als einer der Jungs mit dem Mikro ca. 2 Minuten vor der Bühne mit den Leuten entrückt tanzte um schließlich einen Ausflug zum Mischer und dann sogar nach draußen vor den Club zur verdutzten Open-Air-Bierstand-Verkäuferin zu machen, hatte die Band den Club in ihrer Hand.

5. Die Erkenntnis, dass man sehr gut ein Konzert alleine besuchen kann und sogar unbedingt sollte, sprich den Konzertbesuch nicht davon abhängig machen sollte, ob noch jemand mitgeht. Sonst hätte ich dieses sowie vor ein paar Jahren die großartigen Auftritte von "I Am Kloot" in der Röhre und "Bloc Party" im Theaterhaus verpasst.


Mal sehen, wie dieses Konzert mit dem zweiten, was diese Woche ansteht, abschneidet: "30 Seconds To Mars" und "Placebo" auf dem Schlossplatz. Vorab hat dieses Konzert schon einige Nachteile, und zwar gravierende:

- Die Location: Die Mimik, den heruntertropfenden Schweiß und Ausflüge der Musiker von der Bühne werden nicht mal über die Leinwand zu sehen sein.
- Der Eventcharakter
- Die Bands: Ganz ehrlich - "30 Seconds To Mars"?!? Hatte von der Band bisher nichts bewusst gehört und was ich jetzt gehört habe erinnert mich an "Bon Jovi" im 2011-Gewand! Placebo habe ich 2003 auf dem Terremoto-Festival gesehen - grandios!! Bin gespannt, wie sie jetzt sein werden.


Ich lass mich überraschen! Aber mein Sommersound 2011 ist gefunden - und ich werde mich mit diesem Sound durch den verregneten restlichen Sommer tanzen:


Dienstag, 24. Mai 2011

Ende einer Ära I

Vor zwei Tagen hatte ich sie wieder einmal in der Hand: meine Haribobox, in der ich seit vielen Jahren sämtliche Eintrittskarten für Fußballspiele sammel. Und wieder einmal ging ich diesen Stapel an Erinnerungen durch. Zwar nicht Karte für Karte, aber das wird sicher auch irgendwann wieder passieren. Jedenfalls erinnerte ich mich, dass ich schon vor zwei Wochen etwas über das Ende einer bestimmten Ära schreiben wollte.
Leider sind die Eintrittskarten der ersten Spiele – genauer gesagt aller Spiele zwischen ca. 1988 und 1994 – im Neckarstadion nicht in dieser Box. Ja, „ca. 1988“! Im Gegensatz zu vielen anderen Fans kann ich mich nicht einmal mehr an das genaue Jahr meines ersten Spiels erinnern. Dafür aber an das Gefühl: es war schlicht beeindruckend! Eine für einen ca. 7-jährigen Jungen unvorstellbare Masse an Zuschauern; schimpfende, fluchende Männer; Chaos. Außer, dass ich mich nicht mehr an das Datum oder den Gegner meines ersten Spiels bzw. der ersten Spiele erinnern kann, ist meine Sozialisation mit und durch den Fußball so, wie es bei den Meisten, die in den letzten Jahren zu Freunden geworden sind, gewesen ist: Irgendwann nahm Papa einen mit in diese große, graue Betonschüsssel, in dem etwas geschah, was man in diesem Alter noch nicht wirklich nachvollziehen konnte, aber was eine – eigentlich bis heute – fast unerklärliche Faszination verströmte: Natürlich die schon erwähnte Masse, der Lärm, das Fluchen, das Jubeln. Mit der Zeit wuchs das Verständnis für den Sport: Zunächst für schöne Tore (ein Muss war das „Tor des Monats“), später für die eigene Ästhetik des Spiels. Auch die Identifikation mit dem Verein wuchs beständig und mit jedem Spiel, mit jeder Saison: auch zunächst recht einfach über zwei oder drei Lieblingsspieler (Jürgen Klinsmann, Guido Buchwald, Fritz Walter), später mit dem Verein an sich und allem, was zu ihm gehört.
Doch ein nicht zu unterschätzender Anteil für die stetig wachsende Begeisterung, die sich schließlich nach knapp zehn Jahren in eine von da an jährliche Dauerkarte und tausenden von gefahrenen und geflogenen Kilometern durch die Republik und Europa ausdrückte (ich glaube inzwischen, dass Fußballfans im Schnitt die besten Geographiekenntnisse haben dürften) war die Beziehung zu meinem Vater – und das wird ebenfalls sehr vielen Gleichgesinnten ganz ähnlich ergehen! Fast zehn Jahre besuchte ich jedes Spiel zusammen mit meinem Vater. Fußball war DAS verbindende Thema. Keiner kannte sich so gut aus, wie wir beide. Jede Entwicklung, jedes Spiel wurde sezierend analysiert. Jeder neue Spieler zunächst kritisch beäugt. Zusammen wurde gejubelt und geschimpft. Und auch, wenn nur bei mir die Tränen kullerten – gelitten haben sicher wir beide nach schmerzhaften Niederlagen.
Es war ein Ritual. Mit dem Auto ging es los, natürlich so früh wie möglich! Geparkt wurde irgendwo in der Nähe des Gaskessels, schließlich verbrachte mein Vater einige Jhre seiner Kindheit in der Gegend (wie oft er mir erzählte, dass er mit dem Roller die Wagenburgstraße heruntergefahren sei!). Und allein das machte mich schon stolz: Mein Vater kannte sich in der Nähe des Stadions aus und wusste den ein oder anderen Schleichweg! Der Weg zum Stadion, vorbei am Gaskessel, über die Teststrecke vom Daimler und die Neckarbrücke. Und immer diese freudige Erregung beim ersten Blick auf das Stadion, das sich ab 1992 so oft wandeln sollte. Die Stadionzeitung – ein Muss, um die Nervosität bis zum Spiel wegzublättern. Und natürlich die Blaskapelle, die vor jedem Spiel ihre Runden dreht (im Rückblick vermute ich, mindestens die Hälfte aller Musikvereine Württembergs über die Tartanbahn marschieren gesehen zu haben).

Ab der Saison 97/98 wandelte sich dieses Ritual: Mein Vater bezog seinen Platz auf der Haupttribühne Seite, ich wechselnd in den Stehplatzblöcken der Cannstatter Kurve. In dieser Zeit trafen wir uns nicht bei jedem Spiel – da standen die Freunde im Block zeitweise einfach zu sehr an erster Stelle – es war vielleicht nicht so ganz „cool“ sich im Rahmen des Spiels sich mit seinem Vater zu treffen. Das änderte sich doch relativ schnell wieder, und so entstand bald ein neues Ritual: Immer eine Stunde vor Spielbeginn wurde sich getroffen: Bei Bier und Wurst wieder die aktuelle Lage des Vereins analysiert und in den letzten Jahren auch immer häufiger und intensiver sämtliche anderen wichtigen Themen aus Politik und Gesellschaft.

Mit dem letzten Heimspiel der inzwischen schon wieder zurückliegenden Saison wird für mich diese ganz persönliche Ära zu Ende gehen. Insgesamt ca. 600 km Fahrt sind nun doch etwas zu viel für meinen Vater, um sich die 15. Dauerkarte in Folge zu holen. Vielleicht wird ein neues Ritual entstehen – ein Anruf an den Tegernsee und eine mal kurze, mal lange Analyse des gerade erlebten Spiels, bei dem wieder geflucht, gejubelt und gelitten wurde.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Ankündigung

Eigentlich habe ich wieder einmal gar keine Zeit, einen langen Eintrag zu schreiben, deshalb werde ich das auch seinlassen.
Dies soll eher eine kleine Ankündigung für mindestens zwei etwas längere Einträge werden, die sich beide mit dem Thema "Ende einer Ära" auseinandersetzen werden, um den Druck auf mich zu erhöhen, diese Texte dann auch endlich einmal zu schreiben. Außerdem wäre es sicher spannend, andere spekulieren zu lassen, um was es sich handeln könnte. Bald mehr davon.

Samstag, 26. März 2011

Zwölf Minuten

Zwölf Minuten habe ich für diesen Eintrag Zeit. Zwölf Minuten für den ersten Eintrag seit Jahresbeginn. Man nimmt sich immer so viel vor: Mehr schreiben, mehr lesen, mehr ins Theater gehen, mehr ins Theater gehen, mehr für die Schule tun, mehr mit alten Freunden Kontakt halten, sich mehr Gedanken um die Zukunft machen, mehr auf Konzerte gehen, sich mehr Zeit für sich nehmen, sich mehr engagieren...
Das Ein oder Andere gelingt, vieles nicht. Mehr schreiben - es gäbe so viel, über was ich schreiben könnte zur Zeit! Warum schreibe ich darüber nicht? Keine Zeit? Keine Lust? keine Muse? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich könnte es aufs Referendariat schieben. Wie alles zur Zeit! Das böse, böse Referendariat. Will ich aber nicht. Ich habe keine Lust, mich darüber nun in den nächsten sieben Minuten auszulassen. Es muss nicht alles durchdringen und bestimmen! Was bewegt mich gerade? Viel, aber auch irgendwie wenig! Es wird spannend in den nächsten Wochen, es stehen Entscheidungen an: Wahl (wer, wie, warum?), Bewerbung (wo, wie, warum?), Lehrprobe (was, wie, warum?) und manch Anderes (wer, wie, warum?). Das kann man nicht in zwölf Minuten hier ausbreiten und darlegen. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, was ich in den verbleibenden drei schreiben soll. Ich könnte zählen, wie oft der Cursor in 1:45 min blinkt...aber das wäre ja verschenkte Zeit, das wäre viel zu schade, dafür, dass es der erste Eintrag seit ca. drei Monaten ist.
Das war er also, die Zeit ist um! Und eigentlich hätte ich noch so viel, über das ich schreiben könnte!

Samstag, 1. Januar 2011

Zurück auf Los

1.1. - Neujahrstag.

Irgendwie ein seltsamer Tag. Alles scheint stillzustehen. Es wird wahrscheinlich der einzige Tag des Jahres sein, an dem so viele Menschen einfach nichts tun, keinen Tagesplan haben. Der Post-It-Zettel mit der To-Do-Liste für die erste Woche im neuen Jahr schwächelt auch und fällt unbemerkt unter den Schreibtisch. Ein kurzer Blick ins Neujahrskonzert der Winer Philharmoniker mit der alljährlichen Feststellung, dass Johann Strauss wirklich nicht zu meinen bevorzugten Komponisten gehört.
Ein perfekter Tag, um an das vergangene Jahr zurückzudenken und ein klein wenig an das vor einem liegende vorauszublicken. Und dabei ist es auf jeden Fall ein Trost, nicht zu wissen, wie alles werden wird, aber dafür die Gewissheit zu haben, dass alles schon irgendwie werden wird.
Mir kam letztes Jahr einmal ein Vergleich in den Sinn: Es war Mitte August auf der S-Bahn-Fahrt vom Flughafen Schönefeld in die Stadt zum Hostel und ich hörte einen Song von Bruce Springsteen - "Downbound Train"
Es gibt da diesen Zwischenpart, der auf der Studioaufnahme noch um einiges eindringliche ist, als auf dieser Live-Aufnahme - die knarzende und nuschelnde Stimme von Springsteen, unterlegt nur mit einem sphärischen Synthie-Teppich.
Und irgendwie dachte ich mir an diesem Abend in dieser Berliner S-Bahn, dass das Leben manchmal genau mit solchen Augenblicken aufwartet; ein Zwischenspiel, das der normalen, schnellen und oft hektischen Welt leicht entrückt ist, und währenddessen man das Gefühl hat, dass für einen selbst gerade alles kurz stehenbleibt und sich die Möglichkeit bietet, einen Blick darauf zu werfen.
Genauso wie am ersten Tag des Jahres.