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Freitag, 31. Mai 2013

Finale Gedanken

Es ist Sonntag und ich schalte irgendwann am Nachmittag die Nachrichten ein. Erste Meldung: Der VfB Stuttgart ist neuer DFB-Pokalsieger durch ein 1-0 gegen Bayern München. Schock. Fassungslosigkeit. Dann die langsame Gewissheit – ich habe das Finale verpasst. Ich bin einfach nicht hingefahren und bei diesem fußballerischen Wunder nicht dabei. Ich renne herum, telefoniere, bin verzweifelt – wie konnte mir das passieren?
Dann kommt langsam diese schleichende Erkenntnis mit der immer mehr zum Fenster hereinscheinenden Sonne – ein Traum! Besser gesagt, ein Albtraum!

Das war vor ca. drei Wochen.

1997 habe ich mein erstes DFB-Pokalfinale erlebt. Nach einer furiosen und traumhaften Saison, in der das Magische Dreieck und weitere Charakterköpfe wie Wohlfahrt, Verlaat, Berthold und Legat in schöner Regelmäßigkeit mit Kantersiegen und rauschhaftem Fußball verwöhnten, gab es zum Abschluss dieses Finale im noch nicht umgebauten Berliner Olympiastadion. Ich war 15 und ging durch alle emotionalen Wechselbäder, welche dieses Alter im Rückblick nicht zu meiner Lieblingsphase machen. Ich fuhr mit meinem Vater zu diesem Finale und ich hatte Schiss. Ich hatte riesig Schiss, dass diese tolle Mannschaft es gegen den Noch-Regionalligisten Energie Cottbus vergeigen würde. Eigentlich gab es keinen großen Grund zur Sorge, außer dass diese Mannschaft es in den entscheidenden Spielen, in denen es darum ging, evtl. noch mehr zu erreichen als diesen eh schon sensationellen vierten Platz in der Liga, nicht fertigbrachte, ihre tollen Leistungen zu bestätigen.
So saß ich nervös auf meinem Platz im Stadion und erst das 1-0 durch Elber schaffte es, dass meine Nerven nicht mehr ganz so angespannt waren.

10 Jahre später war es mal wieder soweit: Mein Verein schüttelte aus dem Nichts eine Saison aus dem Ärmel auf den Rasen, dass man nicht genau wusste, wie einem eigentlich gerade geschieht – Meister und die Möglichkeit, das Double zu holen. Daraus wurde jedoch nichts. Ein dramatisches Finale wurde durch einen Sonntagsschuss entschieden. Kein Double, aber die Erkenntnis, dass selbst eine einige Tage zuvor errungene Meisterschaft nicht im Entferntesten die Enttäuschung eines verlorenen Finales wettmachen kann!

Nun ist es morgen also wider soweit – mein drittes Pokal-Finale. Und nie standen die Chancen im Vorfeld so schlecht. Der Gegner scheint übermächtig, euphorisch durch den Champions-League-Titel wollen sie das „Triple“ (was immer noch eher nach einer Mc Donalds-Aktion klingt...). Bei manchen Buchmachern lautet die Quote auf den VfB 1:17. Es sieht also nach einer vermeintlich klaren Angelegenheit aus, und trotzdem steigt die trotzige Hoffnung, je näher das Spiel rückt.

Hinzu kommt der Gegner. Mein Verhältnis zu Bayern München hat eine lange Geschichte: Mein Vater nahm mich mit elf Jahren zum ersten Mal mit zu einem Auswärtsspiel – nach München. Der Saison 92/93, der VfB war amtierender Meister und es spielten Helden wie Immel, Schäfer, Buchwald, Gaudino und Walter und ich war aufgeregt, diese zum ersten Mal nicht im Neckarstadion spielen zu sehen. Am Ende hieß es 2-5 aus unserer Sicht und die Tränen kullerten. Sportlich war es ein erstes Zeichen, wie es die Jahre darauf oft gegen Bayern laufen sollte – ein engagierter VfB, abgezockte Bayern, meistens eine Niederlage. An diesem Tag wurde der Grundstein für eine grundlegende Antipathie gegen diesen Verein und noch mehr gegen spezielle Anhänger dessen gelegt. Ein Aspekt war der Ärger meines Vaters nach wenigen Minuten auf der A8. Der Ärger galt Autos mit hiesigen Kennzeichen, in denen sichtbar für alle anderen ein Bayern-Schal prangte. Mein Vater machte sich hörbar diesem Ärger Luft und die anschließenden Stadionbesuche in den nächsten Jahren in München verstärkten diesen Ärger. Da wurde über die Arroganz der Münchner Anhänger, den immer parteiischen Schiri und die meist folgende Niederlage geschimpft, ohne Rücksicht auf Verluste. Und es waren Tage des Hochgenusses, sollte es doch im zugigen Olympiastadion einen Auswärtssieg geben, so wie bei -15 Grad im Januar 1994 oder im Oktober 1999.
Diese Antipathie wurde in den letzten 20 Jahren weiter gefüttert, meist durch Leute, auf die nicht einmal die weiteste Auslegung des Wortes „Fan“ zutrifft und die auf meine Standartfrage, wie oft sie denn schon in München bei einem Spiel gewesen seien, antworten: einmal, aber schon zweimal in Stuttgart! Und dann müssen die zwei vorherigen Generationen herhalten, die ja auch schon immer Bayern-Fans gewesen seien.

Mit dieser Konstellation geht es in einer Stunde in Richtung Berlin. Und ich weiß schon, wie nervös ich morgen sein werde, je näher Stadion und Anpfiff rücken. Die Chancen sind schlecht, das ist klar. Aber das waren sie die letzten 20 Jahre immer und es hat mich bis heute nicht abgehalten immer wieder zu diesem Auswärtsspiel nach München zu fahren. Ich will nichts weiter als eine Mannschaft in weißen Trikots mit dem roten Brustring, die ihre Stutzen runterziehen, ihre Schienbeinschoner den Bayern-Spieler im Tunnel vor die Füße werfen und den Rasen des Olympiastadions einmal von vorne nach hinten umpflügen. Ich will, dass 20.000 Stuttgarter die gegenüberliegende Kurve mit stolzen Gesängen zeigen, was es heißt, ein Fan zu sein.


Ich bin etwas spät dran und ich komme, weil sich mein Bus verfahren hatte, etwas zu spät zur letzten Taktikbesprechung. Während Bruno Labbadia die letzten Instruktionen erteilt, lege ich meine Schienbeinschoner an und habe etwas Probleme mit den Stutzen. Es herrscht eine angespannte Ruhe. Als ich meine Schuhe anhabe, erfahre ich, dass ich spiele. Rechter Verteidiger, gegen Ribéry. Beim Hinauslaufen ist es laut, die Gesänge dringen von Ferne an mich heran und irgendwann fällt das 1-0. Dabei bleibt es, und innerhalb von einer Woche gewinnt Stuttgart zum zweiten Mal mit dem gleichen Ergebnis gegen die Bayern den Pokal. Als ich aufwachte, dachte ich, dass das doch gar nicht sein kann, bin aber froh, dass das Verpassen durch das Mitspielen dieses Mal ausgeglichen wurde. Und ich hatte Ribéry wirklich im Griff!


Alle guten Dinge sind drei – und falls dies so kommen sollte, würde ich sicher durch Berlins Kneipen ziehen und darauf warten, dass ich aufwache.

Donnerstag, 30. Mai 2013

Tour

Andy Frasco, ein US-Musiker, mit dem wir vor einigen Wochen im Goldmark's spielten, ist seit einigen Jahren beständig auf Tour. In dieser Hinsicht reicht er natürlich nicht an Bob Dylan heran, der sich seit Jahrzehnten auf einer einzigen Welttournee befindet.
Wir waren mit Hawelka letzte Woche fünf Tage auf Tour.

Pilsen – Wien – Linz – München

In dem kleinen Renault Clio fanden Platz:

- zwei Synthies+Ständer
- eine Gitarre+Ständer
- ein Mini-Verstärker
- eine Cajon, eine Beckentasche
- eine Sticks-Tasche
- ein Koffer mit Gitarrenpedal und Kabel
- ein Koffer mit CDs
- eine Jutetasche mit Kabel und Zubehör
- eine Filztasche mit Unterlagen und Kamera
- zwei kleine Reisetaschen und ein Rucksack
- drei Musiker


Aber schon die fünf Tage vermittelten einen ersten Eindruck, was es heißt, auf Tour zu sein:

Fahren, am Spielort ankommen, Location finden, Verantwortliche(n) finden, Unterkunft finden, Zeit am Spielort verbringen, ausladen, aufbauen, warten, spielen, abbauen, einladen, zur Unterkunft fahren, feiern, wenig schlafen, frühstücken, fahren, …

Das klingt nun doch etwas zu nüchtern - es waren tolle fünf Tage, in denen wir wirklich wunderbare Menschen getroffen haben und Auftritte gespielt haben, die richtig viel Spaß gemacht haben. Dazu schöne Städte und immer wieder interessante Gespräche, von denen sicherlich ein Highlight das „Philosophische Trio“ war, natürlich standesgemäß in einem Wiener Café.

Jedenfalls an dieser Stelle nochmals ein großes Dankeschön an Petr und Jan Georg!

Donnerstag, 16. Mai 2013

Mai, des macht nix

Der Frühling ist wohl bald wieder vorbei, bevor er richtig angefangen hat, was irgendwie auch etwas auf die Bundesliga-Saison 12/13 zutrifft. Ich laufe mit Pullover und Regenjacke durch die Stadt, an meisterlich blühenden Kastanienbäumen vorbei, die ,zusammen mit dem Regen, einem doch schon etwas höhnisch eine kleine Ahnung des kommenden Herbstes zu vermitteln scheinen. In zwei Tagen geht nebenbei auch die Saison zu Ende, was auch niemanden mehr so richtig interessiert. Naja, außer den wohl eintreffenden Abstieg von einem Provinzclub aus der „Metropolregion Rhein-Neckar“, den die gesamte Liga (ausschließlich Leverkusen und Wolfsburg) mit einem seligen Lächeln goutieren wird!
Dann endlich, dann geht es in die heiße Phase – nein, nicht des Mais, sondern des Champions-League-Finales. Das hat schon beinahe was von WM-Stimmung: Jeder, der weiß, dass ein Ball rund ist und beim Fußball vornehmlich nicht mit der Hand gespielt wird, überlegt fieberhaft und öffentlichkeitswirksam, wo er dieses verkappte Bundesligaspiel denn anschauen könnte. Ich werde mir vorsorglich mal zwei oder drei Kinofilme vormerken, die man sich an dem Tag evtl. anschauen könnte. Auch im Theater war ich schon viel zu lange nicht mehr.
Jedenfalls richtet sich meine volle Aufmerksamkeit auf das Spiel, das eine Woche danach stattfinden wird...