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Mittwoch, 9. Mai 2012

Foto vs. Selbstwahrnehmung

Von der fünftägigen Reise nach Russland, zu unserer Partnerschule in das 70 km nördlich von Moskau liegende Dmitrov, gibt es unzählige Fotos, von denen jedes einzelne versucht, die vielfältigen Eindrücke so gut es geht, festzuhalten. Und es gelingt ihnen doch ausgesprochen gut. Zahlreiche Momente tauchen bei bestimmten Anblicken aus dem Knäuel der Erinnerung auf, werden deutlicher, um dann geräuschlos und ohne viel Protest, wieder genau dort verschwinden. Ein Foto lässt mich allerdings seit zwei Tagen nicht mehr wirklich los. Es sträubt sich, leistet Widerstand gegen das erneute Zurücktreten ins Glied der Momentaufnahmen. Interessanterweise ist es kein Russland-spezifisches Foto. Darauf bin ich nicht zu sehen mit dem einbalsamierten und noch ziemlich taufrisch aussehenden Lenin in seiner gut bewachten Gruft. Und auch keines, das mich mit den so gastfreundlichen russischen Kollegen zeigt. Nein, dieses Foto hätte genauso gut auf dem Marktplatz in Schorndorf aufgenommen werden können. Darauf sind, links im Bild, die vier Schüler zu sehen, die uns Lehrer auf dieser Reise begleiteten, und, auf der rechten Seite, ich. Die vier Schüler sehen relativ interessiert und aufmerksam zuhörend aus – ich sehe aus, wie ein Lehrer! Nun sollte man meinen, dass das nicht weiter tragisch und Grund sein sollte, extra einen Text darüber zu schreiben. Ich hab ja nichts gegen Lehrer! Nur muss ich unbedingt aussehen, wie einer? Nun, wie sehen typische Lehrer aus? Ich kann es nicht beantworten – eben so, wie ich auf diesem Bild. In einer typisch erklärenden, alles zu wissen meinenden Pose. Ernst. Vielsagend. Und alt. Ja, das war ein Kommentar zu diesem Bild. Ich würde auf diesem Foto alt aussehen. Und das stimmt: Jedenfalls deutlich älter, als ich mich selber wahrnehme. Nun war ich der mit Abstand jüngste der insgesamt sieben Kollegen auf dieser Reise. Und die Anderen würden wohl milde lächeln bis empört auflachen, falls sie dies lesen würden: Ha! Alt – Du?! Komm Du erstmal in unser Alter! Ich hoffe doch, dass dies geschehen wird! Trotzdem beschäftigt mich dieses Bild mehr als gedacht. Ein Grund für diese Wahrnehmung könnte auch das sein, was ich auf diesem Bild trage: Jenas, Hemd, Sakko. Eben auch relativ typisch. Ich denke, ich werde diese Woche wieder mal im Kapuzenpulli zur Schule gehen.