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Sonntag, 27. Januar 2013

Schal

Einerseits hat das Jahr schon auf vielfältige Weise grandios und wunderbar
begonnen. Andererseits beginnt es für mich in einer bestimmten Sache erst heute,
genauer gesagt in ca. zwei Stunden.

Die ersten dreieinhalb Wochen waren gespickt mit tollen Konzerten (The Gecko,
I Got You On Tape), lustigen Partys (Berlin, Berlin), interessanten Theaterstücken
(Asylmonologe, Dantons Tod) und einem wunderbaren Hawelka-Auftritt in Tübingen (Café Haag). Jedes Ereignis für sich wäre es wert, einen eigenen Text zu erhalten!

Nun beginnt für mich persönlich nachher die Rückrunde der Bundesliga. Und irgendwie ist meine Stimmung dazu reichlich schal. Das hat mehrere Gründe. Zunächst habe ich keine Lust mehr auf die Skandalisierung jeglichen Fan-Verhaltens, das nicht in die Eventplanung der Bundesliga-Macher passt. Da wird Borussia-Dortmund unter anderem dafür bestraft, dass zwei Minuten das Spielfeld von Papier-Schlangen befreit werden muss. Da dürfen in Hannover keine Spruchbänder gegen die sonderbare Ticket-Verkaufs-Plattform "Viagogo" gezeigt werden (einen Versuch von Hannover-Fans, bei dem es zu einer kleinen Rangelei um ein solches Spruchband ging, wurde dann gestern in der Sportschau als "unnötige Aktion" seitens der Fans bezeichnet).
Diese Plattform wird aller Voraussicht dafür sorgen, dass heute einige Bayern-Sympathisanten (meistens im Speckgürtel Stuttgarts wohnhaft und wenn es hochkommt mit einem Viertel an Besuchen des Heimstadions ihres Lieblings-Clubs) sich in die Cannstatter Kurve verirren werden.

Wo steuert der Fußball hin?
Eine Freundin berichtete vor ein paar Wochen, sie sei letztes Jahr zum ersten Mal im Stadion gewesen und wisse nicht, ob sie nochmals hingehen werde. Es hatte mit dem Stadion-Erlebnis, wie sie es sich vorgestellt habe, rein gar nichts zu tun. Eine event-mäßige Inszenierung, vergleichbar mit einem Musical-Besuch. Genauso hätte sie die Mehrheit der Besucher um sie herum empfunden. Ich kann ihr da nur beipflichten. Und heute werden tausende unterhaltungssuchende Event-Touristen das Stadion zum ersten Mal zur Gänze füllen. Ich habe mich gestern bei dem Gehangen ertappt, dass ich mir wegen dieser Leute ein unglaublich schlechtes Spiel wünsche (und für den Wunsch brauche ich mich realistischerweise nicht sehr bemühen)!
Ich weiß, das ist zum Teil eine sehr versnobte Einstellung. Das ist mir allerdings mittlerweile herzlich egal! Der Fußball wird nicht nur von im Promillebereich befindlichen Chaoten zerstört, die Gewalt suchen und natürlich - wie überall, wo sie diese suchen würden - auch finden! Er wird auch - und ich würde sagen zu einem erheblich größeren Teil - von einer seit zwei Jahrzehnten immer weiter fortschreitenden Kommerzialisierung ausgeschlachtet und zerstört. Natürlich gibt es noch die Momente, in denen die Emotionen einen mitreißen, in denen ein Block förmlich abhebt und man sich kaum was Besseres vorstellen kann. Aber wie lange wird das noch so sein? Ich befürchte, der Punkt an dem die Gemäßigten der aktiven Fanszenen, die mit einem bewundernswerten Einsatz für eine bunte, vielseitige, engagierte Kurve kämpfen, frustriert und desillusioniert den ganzen Krempel hinschmeißen, weil von offizieller Verbands- und Politik-Seite nicht verstanden wird (oder nicht verstanden werden will!), dass eine andauernde Pauschalisierung durch Kollektivstrafen einen Dialog auf Augenhöhe nicht zulässt!


Auch heute werde ich meinen Schal umwickeln und wie schon hunderte Male zuvor mit einer Spur Hoffnung, aber irgendwie doch ungleich pessimistischer die Stufen im Stadion hinaufsteigen, mit dem Wissen, dass ich noch nicht alleine bin!

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