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Mittwoch, 9. September 2009

Unwohl bei "Inglourious Basterds"!

Es war ein seltsames Gefühl, das mich gestern im Kino bei "Inglourious Basterds" beschlich. Ich habe mich im wahrsten Sinne des Wortes irgendwie unwohl gefühlt. Ich bin mit der Erwartung einer satirischen, Tarantino-Meisterleistung in den Film reingegangen. Alle Stimmen und Kommentare von Freunden waren durchweg positiv mit Tendenz zur Begeisterung. Diese kann ich aber beim besten Willen nicht teilen. Okay, es gab einige wirklich komische Szenen, und ich schreibe bewusst "komisch", denn witzig waren sie in meinen Augen nicht.
Es hat viel mit der ersten halben Stunde des Films zu tun, vor allem mit der ersten Szene. Das war keine Satire, keine skurrile Überspitzung. Das war eine Szene, die mir nahe ging und die mich tief berührte. Sie war grausam. Man kann sich vorstellen, dass sie so gut während des Zweiten Weltkrieges irgendwo wirklich stattfand. Natürlich war die Szene an sich schon beeindruckend, da sie eine unfassbare Unmenschlichkeit darstellt und dabei gleichzeitig eine grandiose Dramaturgie in sich enthält.
Aber ich konnte mich danach einfach nicht auf die skurrile Darstellung des US-Guerrilla-Oberst durch Brat Pitt einlassen. Das passte für mich nicht!
Und da wäre ich dann schon beim inhaltlichen Kritikpunkt. Mir ist durchaus bewusst, dass die Sinnfrage bei Tarantino-Filmen meist nicht unbedingt angebracht ist. Doch wenn man solch eine erste Szene bringt, muss man damit rechnen, dass Zuschauer diesen Film nicht als reine Satire ansehen. Also was ist der Sinn der im Film thematisierten Rache von Juden an Nationalsozialisten, die ihnen über den Weg laufen? Denn sie töten nicht gezielt Verantwortliche für Gräueltaten, sondern scheinbar alle, die ihnen in deutscher Uniform begegnen. Die erfahren dann eine ungewohnte Brutalität. Z.B. das Skalpieren: Interessant, dass hier ein vermeintliches typisches Element (ich weiß nicht, ob es so stimmt) des Umgangs mit Gefangenen seitens der amerikanischen Ureinwohner verwendet wird. Aber vielleicht versuche ich zu viel hineinzulesen.
Aber zurück zu der Frage nach dem Sinn der Rache: Soll das ausgleichende Gerechtigkeit sein? Ist das brutale Verhalten der Einsatztruppe, die vornehmlich aus Juden besteht, gerechtfertigt und war das erste Kapitel dafür die Darstellung der Berechtigung? Oder soll es zeigen, dass jeder Mensch zu Gräueltaten fähig ist? Beide Lesarten wären meines Erachtens fatal! Für die Kriegsverbrechen deutscher Soldaten und den Massenmord an den Juden (und anderen Gruppen) gibt es keine "ausgleichende Gerechtigkeit". Wem würde sie etwas bringen? Höchstens dem geneigten Zuschauer, der hämisch über die "Nazis" lacht und mitfiebert, dass in der nächsten Szene noch mehr von ihnen umgebracht werden. Filmische Genugtuung bequemen Polstersessel bei Bier und Nachos im Jahre 2009, passend zu den 70-Jahre-Gedenktagen!
Oder wie wäre es mit dieser Lesart: "Da, schau - wenn die Juden gewollt hätten, dann hätten sie sich ja wehren können...neun Mann mischen das halbe Dritte Reich auf und am Ende war es ein Kinderspiel die kompletten Führungskader inklusive Hitler zu vernichten." Wäre ebenso fatal, wenn sich das bei dem ein oder anderen Zuschauer ins Unterbewusstsein schliche!
Wie gesagt, vielleicht interpretiere ich zu viel hinein - mag schon sein. Und ich will nicht sagen, dass alles an dem Film schlecht ist. Wie ebenfalls schon erwähnt ist die Dramaturgie des ersten Kapitels beeindruckend. Christoph Waltz spielt beeindruckend und grandios! (Daniel Brühl spielt wie meistens einen unscheinbaren jungen Charakter und Til Schweiger macht wie immer das, was er am besten kann: blöd dreinschauen!)
Einige Dialoge und Szenen sind wirklich komisch: Die Italienisch-Nummer im Filmtheater zum Beispiel oder die Szene in der Taverne.
Am Ende gab es sogar teilweise Applaus (lag das daran, dass wir ausnahmsweise - wegen der Originalfassung - im Cinemaxx waren?).
Alles in allem verlies ich das Kino mit einem unbestimmten, unwohlen Gefühl!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vorneweg: ich war begeistert von dem Film. Aber nicht, weil es irgendwie Satire ist, nein, ganz und gar nicht. Satire funktioniert anders und ich habe ihn keine Sekunde als solche gesehen. Das faszinierende finde ich die Änderung der Historie und die "was wäre wenn-Frage". Viele Filme versuchen, historische Wirklichkeit abzubilden, wollen Geschichte erzählen und nehmen sich dabei Änderungen raus, die sie dem Zuschauer unterjubeln. Dieser Film tut genau das nicht. Bei ihm ist klar, dass es so niemals Wirklichkeit war. Er sagt aber auch nicht "schaut mal Ihr Juden, so einfach wäre es gewesen!", denn immerhin stirbt auch die Hälfte der Guerilla-Leute. Sooo einfach also nicht. Sondern nein, es ist ein harter Kampf, auf Leben und Tod. Und sicher, in der Anfangsrede des Oberst wirkt der ganze Film tatsächlich wie eine reine Skalp-Jagd. Doch genau das ist es im Laufe des Films auch wieder nicht nur, da es dafür zu viele andere Handlungsstränge gibt und sie außerdem nicht JEDEN Deutschen umbringen. Zumindest nicht absichtlich (siehe die Kellerkneipe).
Und selbst wenn, möglichst viele Deutsche abzuknallen, das finde ich erstmal nicht falsch. Hätten die nicht mitgemacht, hätte das ganze 3. Reich nicht funktioniert. Wären genug Deutsche einfach so abgeknallt worden, hätten sie vielleicht mehr nachgedacht und hätten diesen Scheiß nicht mitgemacht. Wer weiß. Und genau das ist es, was der Film für mich aufwirft und was ihn so spannend macht. Sicher, es gab Widerstand, aber er hat nicht gereicht. Er hat Einzelschicksale gerettet, was wichtig ist, aber Terentino regt - ob mit Absicht oder nicht - zum Nachdenken an und somit bleibt für mich das "was wäre wenn" im Nachklang des Films.

Und wieder ein ewig langer Kommentar, aber da ich die nie live sehe, kann ich ja irgendwie nie persönlich mit Dir so Dinge ausdiskutieren...

Ciceros Erbe hat gesagt…

Ich stimme Dir eigentlich bei allem zu!
Der Film hat was - allein, dass ich schon lange nicht mehr einen Tag später einen Eintrag über einen Film geschrieben habe, zeigt, dass er definitiv zum Nachdenken anregt.
Das mit der Satire...okay, vielleicht der falsche Begrif...keine Ahnung!

Hmm...ich muss mir über den Film sicher noch ein paar mehr Gedanken machen. Ich finde irgendwie nicht, dass es viele Handlungsstränge gibt. Es sind zwei, oder liege ich auch hier falsch? Was mich z.B. wunderte, ist, dass die Sache mit der Wiedererkennung zwischen dem von Waltz gespielten Oberst und der inzwischen erwachsenen jüdischen Französin nicht weiterverfolgt wurde.
Das Thema mit der Gefolgschaft ist natürlich eines der interessantesten, aber gleichzeitig wohl nie befriedigend zu beantworten.
Ja, der Film ist gut - er wirft Fragen auf, vor allem in einem neuen Stil.
Wäre sicher einmal interessant über die beiden Themen (dieses & das Uni-Thema) - und bestimmt noch mehr - mit Dir "live" zu diskutieren! Vielleicht klappt es ja mal!?

Anonym hat gesagt…

ja, Du musstest Dich ja in Hamburg rumtreiben, während ich in Herrenberg war... Sonst hätt ich Dich mal angeschrieben...
Nächstes Mal klappts vielleicht. Ansonsten, spielt der VfB nicht bald in Köln oder Gladbach oder so? Dächte, da was gehört zu haben. Falls Du da bist und Zeit aufn Bier oder Kaffee hast, melde Dich doch einfach!

Zum Film:
Mit den Handlungssträngen, Du hast Recht, wahrscheinlich sind es wirklich nur zwei. Ich kam glaube ich auf mehr, weil ich Skalp-Jagd und Attentatsplanung irgendwie getrennt gesehen habe, obwohl von der gleichen Gruppe ausgeführt.
Und Du hast vollkommen Recht, manche Dinge hätten mehr ausgeführt werden können. Aber wahrscheinlich macht wieder genau das den Kunstfilm und das etwas Befremdliche und Neue aus. Keine Ahnung. Immerhin ist und bleibt es ein Tarantino-Film.
Und ja genau, er wirft Fragen auf. Und zwar gezwungenermaßen. Da kommt glaube ich - hoffe ich - kein Zuschauer drumherum.