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Montag, 12. Februar 2007

Techno-Jünger

Herzlichen Glückwunsch Daniel aus Bayern!
Du hast es geschafft!
Auf meinen Index für Mitfahrangebote! Und das bei meiner zweiten Fahrt! Respekt!

Bis jetzt hatte ich nur von ihnen aus Berichten gehört oder in "Pro-&-Contra-Artikeln" gelesen (gab es bestimmt schon drei davon in der Neon): Techno-Jünger als Fahrer bei Mitfahrgelegenheiten!
Ich hatte gehofft, dass ich davon verschont bleiben würde, aber heute Abend ist es passiert. Wie gesagt, bei meinem zweiten Mal, dass ich eine Mitfahrgelegenheit in Anspruch genommen habe. Dass es so schnell passiert, hätte ich nicht gedacht. Vor allem beängstigt mich das. War es nur Zufall? Oder (was das Schlimmere wäre) das Gesetz der Wahrscheinlichkeit? Gibt es doch so viele von ihnen? Leben sie ansonsten im Untergrund? Als "Techno-Schläfer"?

"Hi, ich bin der Daniel. Jetzt aber rein, dass wir los kommen."
Und dann fing es an und hörte für die nächsten 70 Minuten nicht auf: Techno. "Habt ihr was gegen die Musik?", hörte ich ihn zwischen den ersten Beats noch sagen (eine Frage war es nicht; er erwartete definitiv keine Antwort)...dann drehte er den bei "Techno-Atheisten" berüchtigten Sender SUNSHINElive auf.
Nach 10 Minuten schob er eine CD in das Autoradio und es ging weiter mit der Vergewaltigung meiner Ohren.
Die Fahrt bestätigte auf erschreckende Art und Weise gängige Klischees. Denn mein Chauffeur war BWL-Student mit Fachrichtung Automobil-Marketing!
Zu meinem Erschrecken, musste ich dann feststellen, dass der Mitfahrerin auf dem Beifahrersitz, die Germanistik und Pädagogik studierte, dieses Zeug auch gefiel. Das passte dann nicht mehr in mein Klischee-Weltbild, das augenblicklich in meinem Kopf zusammenbrach: Eine Germanistik-Studentin, die Techno hört. Müsste sie als GEISTESwissenschaftlerin nicht ein bisschen Sinn für Musik haben?

Verrückte Welt.

Ich versank, wie mein Nebensitzer aus Kamerun, in eine 40-minütige Schweigephase, in der ich den Abarten dieser Musikrichtung lauschte: Man kennt das ja noch aus den 90ern: Der Bass, der sich von 1/8 zu 1/16 und immer weiter in einen Presslufthammer-Staccato steigert. Dazu eine Snare, die nach einem Atari-Computer klingt und eine Frauenstimme, die belanglose Texte in mittelmäßigem Englisch singt. Grauenhaft.

Nach diesen 50 Minuten, kurz vor Heidelberg, schaltet das Monster auf irgendeinen Radiosender um. Erleichtert erwachte ich aus meinem Trance-Zustand auf. Es läuft "I Just Died In Your Arms Tonight". Er und die Beifahrerin versuchten herauszufinden, von wem dieser Song ist. Dazu konnte ich auch nichts beitragen. Dann meinte er, dass die 80er DAS Musikjahrzent gewesen seien. Die 90er waren ja schlimm und alles was nach 2000 kam, sei ja grauenhaft. Vor meinem inneren Auge rauschten die zahlreichen genialen Bands der letzten 6 Jahre vorbei.
Ich hörte mich noch sagen:"Das sehe ich eher nicht so", und dann überlegte ich, ob ich ihn bitten soll, mich hier sofort an der Autobahn rauszulassen, ich würde den Rest laufen. Aber das hätte nur die Kolumnistin des Neon-Artikels gemacht!

Stattdessen hörte ich mir an, über was der zwanghaft witzig wirken wollende Fahrer noch für Themen auf Lager hatte:
- Positive Kritik über die neueste Castingband "Monrose"
- Geschmack der Chicken McNuggets-Soßen bei McDonald's
- Der Tod von Anna Nicole Smith & die neuesten Entwicklungen
- ...

Kurz darauf war die Fahrt zu Ende und ich dachte kurz daran ohne zu zahlen einfach davonzurennen!

Ich kramte meinen MP3-Player heraus und machte ich mich auf den Weg zu meiner Unterkunft in Heidelberg während erste Pianoklänge ertönten:

Mad World

4 Kommentare:

Annie Higgen hat gesagt…

MAD WORLD indeed!
beautiful! ich habe jede Zeile mitgelitten!!
Armes Kerlchen... jetzt weiß ich wieder warum ich Bahnfahrer bin! Stundenlang die Musik, die ich will während Deutschland an mir vorbei zieht... (werd ich am Mittwoch auch gleich mal machen)

Anonym hat gesagt…

Du Armer! Hast echt mein Mitleid! Aber lass Dir von mir gesagt sein, es geht auch anders. Ich bin mittlerweile über 10 mal per Mitfahrgelegenheit gefahren und hatte noch NIE so ein Erlebnis. Und hey, wenn man nach der Wahrscheinlichkeit geht, müsstest Du ja auch die nächsten was weiß ich wieviel Fahrten verschont bleiben. Also nur Mut!

Anonym hat gesagt…

Satt!!! Wenn ich auf meinen Fahrten nach HH nicht solche Schmoks wie Dich dabeihaben will dann dreh ich einfach Techno auf...;-) Also als Beifahrer hatte ich schon nen schwulen Juden,ne Feuertänzerin, ne Gurugläuige, Grufftis, 2 Omis, Bullen und nen Kriegsveteran aber noch keinen Techno-Dieter! Aber ich werde immerwieder mit furchtbaren Geschichten von denen konfrontiert...Viel Glück, das Leben ist wie ein Spiel! Grüße RH-Lars

Ciceros Erbe hat gesagt…

Oh ja, an den schwulen Juden kann ich mich auch noch erinnern...war auf der Heerenveen-Hamburg-Hannover Fahrt! War ein cooler Typ.
Und die zwei Omas, die mal von Hamburg zurück mitgefahren sind und von uns so begeistert waren?
Der Vorteil als Fahrer: Du kannst ja den Mitfahrern deine Musik aufs Ohr zwingen, da ist es auch egal, wenn ein Techno-Freak dabei ist!