Vor mir ragt der Fernsehturm in den nicht mehr ganz so eisigen Nachthimmel. Jedes Mal, wenn ich hier vorbeifahre, schaue ich an ihm hinauf, genieße die Lichter, die das Leuchten von hier in die kilometerweite Umgebung schicken. Jetzt werden es nicht mehr viele wahrnehmen - es ist halb zwei. In einigen Stunden muss ich trotz der zu erwartenden Müdigkeit vor dreißig Schülern stehen, und das Examen rückt auch immer näher. Doch über beides mache ich mir keine Gedanken - die kreisen um etwas anderes. Um Musik.
Das Jahr ist nun drei Wochen alt, zwei Auftritte sind gespielt. Zwei Auftritt von der Sorte, die Bands, die gerade kurz nach ihrem Durchbruch stehen, wohl meinen, wenn sie sagen, dass sie keine der gepushten, gecasteten und konzurlosen Plastikbands seien, sondern sich von unten nach oben gespielt hätten
Der Auftritt vor zwei Wochen: Mit den drei Bar-Betreibern und den Freundinnen meiner beiden Mitstreiter, schraubte sich die durchschnittliche Anzahl der Leute vor der Bühne auf zehn. Immerhin mehr als dreimal so viele wie auf der Bühne! Man kündigt solch einen Auftritt für 21 Uhr an. Wochen vorher. Man schreibt eine Mail, erwähnt es in Gesprächen, geht bis an die Grenze der Penetranz. Um zehn nach neun weiß man, dass es doch eher gemütlich zugehen wird. Okay, noch ein Bier, ein bisschen Smalltalk mit den Barbetreibern und los. Und es macht Spaß! Es macht Spaß die Songs zu spielen, den Applaus der zehn unermüdlichen Zuhörern zu vernehmen, zu sehen, dass es den anderen auf der Bühne genauso Spaß macht. Wir spielen locker auf, ohne Druck - etwas mehr Blödsinn als sonst ist erlaubt. Zwischen zwei Songs der "Entertainer" von Jan-Georg und die Bitte von Petr, seine Freundin solle doch mal im Gitarrenkoffer nach dem Text des nächsten Songs schauen - die Soli werden länger als sonst. Nach zwei Stunden Konzert folgen noch drei Stunden an der Bar - ohne Alkohol, denn das Instrument muss ja noch heimgefahren werden!
Was denken Musiker auf der Bühne? Was denken sie über den Abend, über das gerade vorbeigegangene Konzert? Nehmen die "Gallagher-Brüder" Komplimente noch wahr? Freuen sie sich so, wie ich mich über die drei anerkennenden Kommentare nach unserem Auftritt an diesem Abend, drei Stunden bevor ich am Fernsehturm vorbeifahre?
Der zweite Gig dieses Jahres: An der Uni Hohenheim, Asta-Winterfest. Wir waren zwischen "Teaching Kelly" und "Dynamite Jones" auf jeden Fall ein Gegenpol. Dieses Mal waren ca. 400 Leute im Raum. Doch der Applaus kam teilweise nicht über die Intensität des ersten Gigs hinaus. Später wurde uns gesagt, dass man uns ab der Mitte der Scheune kaum mehr gehört hatte, von den Ansagen eigentlich gar nichts. Trotzdem - ich genoss auch diese Stunde. Danach: Abbauen, herumärgern mit Betrunkenen, Der Anflug der Müdigkeit.
Am Fernsehturm vorbei geht es ins Tal hinunter, nach Cannstatt, am Stadion und der Schleyer-Halle vorbei. Das Radio ist nach zwei frustrierenden Senderdurchläufen auf beruhigende Lautlosigkeit gestellt.
Es gibt so unzählig viele Bands. Jede buhlt um Auftritte und damit um Aufmerksamkeit. Die Faszination bleibt. Es ist faszinierend auf Konzerten (als Zuhörer) zusehen und zu spüren, wie unvermittelt Musik wirkt. Ich denke vielleicht so unvermittelt wie sonst keine Kunstform. Genauso faszinierend ist es immer wieder auf einer Bühne zu stehen und zu schauen, ob die Erwartungen an einen selbst und an das Drumherum erfüllt oder enttäuscht werden. An solch einem Abend kann man so viele Gefühlsformen erleben.
Ich biege in meine Straße ein und finde schließlich einen Parkplatz. Die ein oder andere Melodie eines unserer Songs klingt noch in meinem Ohr. Ich denke an unseren nächsten Auftritt und falle in mein Bett.
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Mittwoch, 21. Januar 2009
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